In Ruhe unruhig sein

Beschäftigung für Menschen mit Demenz oder Alzheimer

Oft sind Menschen mit Demenz unruhig – dabei greifen sie zum Beispiel nach imaginären Dingen, trommeln oder klopfen auf den Tisch, laufen oder rutschen hin und her, fummeln an ihrer Kleidung oder an Gegenständen und provozieren damit oft das Nervenkostüm ihrer Betreuer. Vielleicht sind sie in diesen Momenten nervös oder unsicher? Vielleicht ist ihnen aber auch einfach nur langweilig?

Die Frage ist nun, wie man damit am besten umgeht? Oder wie der Betroffene ganz in Ruhe unruhig sein kann? Im Folgenden haben wir ein paar „Aktivitäten“ zusammengestellt, die für mehr Ruhe sorgen können.

Nesteldecken, Nestelringe, Nestelkissen, Nestelbretter

Nesteln bedeutet „etwas befingern“. Im medizinischen Sinne versteht man darunter nervöse und ungeschickte Bewegungen der Hände, die etwas tasten. Speziell für Menschen mit Demenz gibt es einige Produkte, die zum Knibbeln, Nesteln, Fummeln und Fühlen anregen, wie z.B. Nesteldecken oder Fühlkissen. „Wirken“ tun sie alle gleich: Durch verschiedene Materialien, Füllungen und Accessoires werden die unterschiedlichen Sinne des Patienten angeregt.

Für mehr Infos zu den Produkten klick auf die Bilder

Zum Nesteln gibt es verschiedene Produkte: Decken, Kissen, Ringe und sogar Bretter und Würfel. Man kann fertige Produkte kaufen oder selbst machen. Wer selbst basteln oder nähen will, kann natürlich auch ganz persönliche Dinge integrieren, z.B. ein Stück von der Lieblingskleidung und/oder etwas aus dem ehemaligen Arbeitsalltag des Betroffenen. Auf jeden Fall sollte man darauf achten, dass es abwechslungsreich, ungefährlich und waschbar ist.

Hier ein paar Links zu Anleitungen, wie Ihr selbst so eine Nesteldecke herstellen könnt. Lasst Eurer Phantasie dabei freien Lauf. Man kann auch Fotos, Werkzeuge, Scharniere, knisternde Stoffe oder Gegenstände integrieren, die Geräusche von sich geben.

Hier ein paar Links wo Ihr Nesteldecken & Kissen online bestellen könnt:

Und hier noch ein paar Beispiele, wie so etwas aussehen kann:
(Danke an Michaela Gnägi, Elke Mayer, Ute Lauer-Schwarz, Klara Zelenka für diese schönen Ideen und die Bereitstellung der Bilder!)

Plüschhund, Stoffkatze, Puppe

Das Stofftier, das aussieht wie der echte Liebling der Familie, kann schnell zum besten Freund werden. Oft passiert es, dass Erkrankte eine enge Beziehung zum Stofftier oder zur Puppe aufbauen. Da wird geherzt und geküsst, geschuckelt und gestreichelt. Die stummen Gesellen sind auch sehr gute Zuhörer, denen man wirklich alles erzählen kann. Die unsortierte Aktivität erhält ein Ziel, das umsorgt, gepflegt und beschützt wird.

Weich & Kuschelig

Egal ob Tuch, Decke, Kissen oder Kleidungsstück. Materialien, die sehr weich und kuschelig sind, werden von vielen Erkrankten besonders gern gestreichelt und angefasst. Vielleicht kann also so ein besonders weiches Tuch schon für mehr Ruhe sorgen. Geeignet sind übrigens auch langflorige Materialien, Bommeln, Tierfelle oder Pelze (auch wenn ich das persönlich nicht so super finde).

Sortieren & Polieren

Vielleicht kann auch eine „sinnvolle“ Beschäftigung für Abhilfe und Beschäftigung sorgen. Eine schöne Aufgabe ist zum Beispiel etwas zu sortieren oder in Ordnung zu bringen: Knöpfe, Besteck, Werkzeuge, Schrauben, Legosteine, Spielkarten, bunte Socken, Tücher, Puzzelstücke o.ä. Wichtig ist, dass das Sortierkriterium einfach ist – also z.B. nach Farbe sortieren oder doppelte suchen. Es macht keinen Sinn, die Bierdeckelsammlung nach Ländern zu sortieren oder die Buchhaltung der letzten 10 Jahre chronologisch zu ordnen. Solche Aufgaben können schnell überfordern, was wiederum zu noch mehr Unwohlsein führt.

Einfache Tätigkeiten sind auch prima zur Beschäftigung. Zum Beispiel: Besteck polieren, Wäsche oder Servietten falten, Wolle aufrollen, Kartoffeln schälen, Reißverschlüsse an der Nesteldecke schließen.

Übrigens einen Haufen bunte Knöpfe kann man für relativ wenig Geld kaufen. Die Variante mit der Sortierbox fand ich dafür toll.

Motorikspielzeug

Auch in der Spielwaren-Abteilung gibt es viele interessante Dinge, die zum Fummeln, Drehen, Stecken und Greifen einladen. Hier besteht jedoch oft die Sorge vor Ablehnung, weil man einem Erwachsenen nicht zumuten möchte, mit Kleinkinder-Spielzeug zu spielen.

Vielleicht könnt Ihr es unter einem Vorwand trotzdem mal ausprobieren? Man könnte zum Beispiel ein altes Spielzeug im Keller finden und es für den Trödelmarkt überprüfen wollen. Wenn das Spielzeug angenommen wird, lasst Eurem Angehörigen Zeit, es in Ruhe zu erkunden. Das kann mehrere Wochen oder sogar Monate dauern und immer wieder interessant sein.

Anti-Stress-Gadgets

Unter dem Schlagwort „Anti-Stress“ gibt es auch einige interessante Gegenstände zum Drücken, Knubbeln, Rubbeln, Reiben, Drehen.

Während der klassische Anti-Stress-Ball weich und harmlos ist, kann er zigmal gedruck und geknautscht und auch mal an die Wand geworfen werden.

Anti-Streß-Würfel – auch Fidget Cube genannt – bieten auf jeder Seite eine unterschiedliche Methode zum Drücken, Tasten oder Schalten. Geräusche motivieren zum Weitermachen. Für die Fidget-Spinner braucht man ein recht gutes Balance-Gefühl in der Hand. Ich fürchte, das dies eher überfordert als motiviert.

Grundsätzlich wird durch die Beschäftigung mit solchen Anti-Streß-Artikeln auch die Motorik gefördert.