Spieglein, Spieglein an der Wand

Friseurbesuch bei Menschen mit Demenz

Diesen Beitrag von Monica Meier möchte ich unbedingt mit Euch teilen:

Was man sich mit einer funktionierenden Wahrnehmungsverarbeitung nur schwer vorstellen kann, das ist der Umstand, dass Spiegel eine Herausforderung sein können, erst recht bei einem Friseurbesuch.

Warum ist das so?

Zusätzlich Informationen als bei dem, was man vor sich hat, es muss aus einer zusätzlichen räumlichen Richtung etwas wahrgenommen und verarbeitet werden.

  • Gesichter werden u.U. nicht (mehr) erkannt, das macht Angst.
  • Bei einer gestörten Raumwahrnehmung ist vor einem das Dahinter und das verwirrt komplett.
  • Wieso bewegen sich Menschen oder noch schlimmer Teile von Menschen in der Wand?
  • Da sitzt jemand vor einem, der nicht das Alter hat, wie man selbst. Manche macht das Bild sogar wütend oder sie versuchen durchzulangen.
  • Spiegel können sogar zuhause dazu führen, dass jemand, der sich nicht mehr ausdrücken kann, sich weigert ins Bad zu gehen. Spiegel abzuhängen, das ist also eine der Maßnahmen, die man ausprobieren kann, wenn sich jemand nicht mehr duschen oder waschen lässt.

 

Beim Friseur kommt noch dazu:

Viel zu viele Sinneskanäle sind gefordert, was schnell zu einer Reizüberflutung führen kann:

  • Lautstärke, durch die Fliesen eine andere Akustik
  • Ohne Vorwarnung geht dauernd irgendwo der Föhn an
  • Wechselnde Duftschwaden
  • Viele Menschen – jemand mit einer fehlenden Gesichtserkennung empfindet dabei Stress
  • Zusätzlich sind diese Menschen dauernd in Bewegung (Figur-Hintergrund-Wahrnehmung gefordert)
  • Man wird dauernd berührt, was ebenfalls nicht unproblematisch ist, da die Körperwahrnehmung zum großen Teil ganz anders funktioniert als bei uns. Aber darüber schreibe ich ein anderes mal.
  • Unangenehme Wahrnehmungen am Kopf, der besonders empfindlich ist: Nässe, wechselnde Temperaturen, Haare ziepen, kitzeln, angsterzeugende Massagen (diese unbedingt vorher klar genug ablehnen!)
  • Ein unbequemer Stuhl, der sich noch zu in alle Richtungen bewegen lässt (gibt keine Sicherheit)
  • Kitzelnde und irgendwann juckende Minihärchen
  • Keine Vorwarnung darüber, was als nächstes gemacht wird (für Autisten oft der Horror)  oder keine ausreichende Verarbeitungszeit nach dieser Vorwarnung
  • Panik kann auch der Umhang erzeugen, erst recht, wenn er dunkel ist (raschelt, fühlt sich seltsam auf der Haut an, bewegt sich auf dieser ständig, Schwarz kann bedrohlich wirken)

 

Abhilfe:

  • Nicht vorm Spiegel arbeiten oder diesen abhängen
  • Immer die gleiche Friseurin / den gleichen Friseur nachhause bestellen – diese/r bekommt ausgedruckt so etwas wie dieses Posting, das nachvollziehbar macht, was sich beim Kunden wahrnehmungsmäßig abspielt. Wichtig ist: Wenig sprechen. Bei Dementen kann das Ankündigen beunruhigen, das muss man vorsichtig testen.
  • Bekannter Stuhl, der stabil ist, ev. mit Armstützen, kein Drehstuhl
  • Das gewohnte Shampoo verwenden oder gleich vorher schon den Kopf waschen + keine fremden Düfte
  • Härchen ganz oft selbst abwedeln lassen (hält man den Pinsel selbst, hat man die Kontrolle über die leichten Reize)
  • Föhn vermeiden, falls dieses Geräusch abgelehnt wird
  • Gewohntes Handtuch als Umhang benutzen

 

Lest doch auch die anderen Beiträge von Monica: „Weglauftendenz oder Hinlauftendenz“ und „Stundenweise Betreuung“

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